Das letzte Wort. Roman by Hanif Kureishi

Das letzte Wort. Roman by Hanif Kureishi

Autor:Hanif Kureishi [Kureishi, Hanif]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783104031743
Herausgeber: FISCHER E-Books
veröffentlicht: 2014-12-18T23:00:00+00:00


17

Nach gut zehn Tagen kehrten Alice und Harry nach London zurück. Lotte, Robs Sekretärin, hatte Harry Flugzeugtickets und einen vollgestopften Terminplan für die nächsten paar Wochen geschickt. Außerdem verlangte Rob, dass Harry mit seinem Buch Fortschritte machte; er wollte bis zum Ende des Monats ein paar Kapitel lesen.

Harry war froh, der klaustrophobischen Atmosphäre von Mamoons Anwesen entronnen zu sein. In der Stadt besuchte er mit seinem Vater und seinen Brüdern ein Spiel von Chelsea. Danach gingen sie essen und nahmen dann, da ihrem Vater viel daran lag, als Familie im lokalen Pub an einem Quiz teil. Dieses wurde von den Männern so ernst genommen, als wären dabei zehn Millionen Pfund zu gewinnen. Die Zwillinge kannten sich gut in Sport und Musik aus, ihr Vater in Naturwissenschaften. Harry war für die Literatur zuständig. Sie wurden zweite und waren nicht glücklich, und ihr Vater schalt sie, als hätte ihm der Schuldirektor gerade einen blauen Brief geschickt.

Harry wurde wieder bewusst, wer er war. Seine Brüder ließen sich von Mamoon weder beeindrucken noch einschüchtern. Mamoons Werk zeichnete sich durch eine kühle Strenge aus, und da er kein Buch geschrieben hatte, dessen Titel in aller Munde war, und nur selten im Fernsehen auftrat, gaben sie nichts auf ihn. Allerdings passte es ihnen nicht, dass ihr kleiner Bruder von einem manischen Egoisten zur Sau gemacht wurde, der noch dazu ein schmeichelhaftes Porträt seiner großkopferten Person verlangte. Harry begriff, dass er, im Schatten von Mamoons Persönlichkeit stehend, zugelassen hatte, dass man seine Identität attackierte; Liana und Mamoon schienen ihn nach Belieben beschimpfen und malträtieren zu können. Und sein Vater sagte: »Bisher warst du der Spiegel, den er braucht, Harry. Wie sollte er da nicht froh und glücklich sein?«

»Er ist die Güte in Person.«

»Tatsächlich? Warum verwirrst du ihn nicht ein wenig, drehst ihm den Schwanz um, provozierst ihn und wartest ab, was passiert? Eine gewisse Unordnung kann sich manchmal als fruchtbar erweisen.«

Harry und Alice reisten zum Mumpitz der Modeschauen nach Paris und stiegen danach in den Nachtzug nach Venedig – die Lieblingsstadt von Harrys Mutter –, denn Alice war noch nie dort gewesen. Als sie morgens in ihrem Schlafwagenabteil erwachten, war es nur noch ein Katzensprung bis zum Canale Grande. Sie gondelten fast die ganze Zeit auf einem Vaporetto herum, um die Stadt zu erkunden. Harry brannte darauf, Alice bestimmte Dinge zu zeigen, weil er miterleben wollte, wie sich die Welt vor ihr entfaltete. Eines Abends ergriff sie seine Hand. Sie hatte einen Schwangerschaftstest gemacht. Er war positiv ausgefallen. Das war nicht unbedingt geplant gewesen, aber sie hatten sich gelegentlich Gedanken über Kinder gemacht, und sie freute sich. Und er?

Ja, ja und vielleicht. Ihre Beziehung war jetzt zementiert. Er war entsetzt und verwirrt und verängstigt. Plötzlich hatte die Zukunft ein Gesicht. Auf einmal gab es Unausweichlichkeiten. Er wäre in der Pflicht, und er wäre ein anderer Mensch, und sie würden einander auf eine vollkommen neue Art kennenlernen. »So ein Mist«, sagte er zu seinem Vater. »Ich bin erledigt.«

»Höchste Zeit. Willkommen auf der Welt«, sagte sein Vater. »Weißt du schon, wie du dazu stehst?«

»Nein … noch nicht.



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